Andreas Rieser – Der Kaplan vom Zwiebelturm

Andreas Rieser – Der Kaplan vom Zwiebelturm

7. März 2016 0 Von rudileo

(c) Rudolf Leo: Im Gegensatz zur Führung der Kirche, die sich rasch mit dem NS-Regime arrangierte, trotzen zahlreiche Priester in Salzburg dem Nationalsozialismus. In manchen Predigten wird kein Blatt vor den Mund genommen, in Schriften wird gegen das System angeschrieben. Einer der prominentesten Salzburger Priester ist der Bramberger Ehrenbürger Andreas Rieser. Der damals 30jährige Pfarradministrator wird im Sommer 1938 verhaftet. Bei der Renovierung der Kirche in Dorfgastein (Pongau) hinterlegt Pfarradministrator Rieser eine regimekritische Urkunde im Kirchturmknauf. Der Spenglermeister übergibt das Dokument der zuständigen NS-Ortsgruppenleitung. Rieser schildert am 23. Jänner 1947 vor der Opferfürsorge Salzburg sein Schicksal:

„Der Grund der Verhaftung war die Hinterlegung einer Urkunde in den Kirchturmknauf anlässlich der Renovierung des Kirchturmes. In diesem Dokument habe ich den Nationalsozialismus und die ganze Regierung angeprangert und schriftlich niedergelegt, daß wir im März 1938 überfallen wurden und daß Österreich schweren Zeiten entgegengehen wird, den das 3. Reich noch elendiglicher verspielen wird als das Deutschland 1918, und dann Österreich wieder selbständig sein wird. (siehe Anhang)

Dieses Dokument sollte der Spengler von Schwarzach-St. Veit, Weiß, in den Knauf einlöten, riß aber den versiegelten Brief auf und übergab ihn der Ortsgruppe (…)

Ich war dann bis zum 31. Juli 1938 im Polizeigefängnis in Salzburg. Am 31. Juli 1938 wurde ich nach München in das Polizeigefängnis überstellt und am 3. August 1938 nach Dachau eingeliefert. Dort wurde ich festgehalten bis zum 26. September 1939, an diesem Tag wurde ich nach Buchenwald bei Weimar transportiert, dort verblieb ich bis zum 7. Dezember 1940. Am selben Tage werde ich wieder zurücktransportiert nach Dachau, wo ich bis zum 26. April 1945 verbleiben musste. An diesem Tage wurde ich mit Hunderten von Häftlingen auf den Todesmarsch gesetzt – Dachau – Ötztal. Am 1. Mai 1945 wurden wir (…) von den Alliierten befreit.“

Mitteilung von Andreas Rieser aus dem KZ Dachau, 10. März 1939:

„Da ich mich wiederholt im Lager strafbar machte, unterliege ich den verschärften Haftmaßnahmen:

  1. Ich darf im ¼ Jahr nur einen Brief empfangen und schreiben.
  2. Ich darf im ¼ Jahr nur 10,- RM empfangen.
  3. Der Empfang jeglicher Pakete ist verboten

Andreas Rieser“

Andreas Rieser überlebt rund sieben Jahre in den Konzentrationslagern. Der Österreichische Rundfunk hat die Geschichte Riesers unter dem Titel „Der Kaplan vom Zwiebelturm“ verfilmt. Andreas Rieser arbeitet bis zu seinem Tod am 3. März 1966 als Pfarrer in Bramberg, wo er als Ehrenbürger begraben wird. Die Gemeinde Bramberg widmet dem Widerstandskämpfer im Jahr 2013 einen Platz. Der ehemalige Kirchenplatz heißt nun „Andreas Rieser Platz“. Eine Tafel an der Kirchenmauer erinnert an Rieser.

Inhalt des Schreibens von Andreas Rieser aus vom 18. Juni 1938, das Rieser in das KZ brachte:

 

„…um 1928 traten die Nazi auf, Hitler, die NSDAP, um durch rücksichtslose Gewalt die Macht in Deutschland zu erlangen! Die ganze Hitlerei wäre nicht so schlimm …. Aber das Gefährliche ist, daß die Hitler ein Volk, ein Reich, ein Führer wollen und einen deutschen Glauben. Rosenberg mit seinem Mythos des 20. Jahrhunderts ist der deutsche Papst. Darum wollen die Nazi, weil ein Reich, ein Großdeutschland, angestrebt wurde und noch wird, auch das kleine Österreich schnappen… Führten auch die Tausendmarksperre ein… und so hatte es Hitler leicht, im März 1938 Österreich zu überfallen und einzusacken. Es wurde besetzt… und sowas nennt man Befreiung. Es ist furchtbar, was jetzt der Jugend vorgemacht wird… Alle [besonders in Deutschland, dass Andreas Rieser „Nazidonien“ nennt] erhoffen sich von Hitler die Rettung: viele haben aber schon genug… Das preußische Großmaul hat viele Worte aber wenig Geist… Wir Priester haben einen schweren Stand. Gar manche von den Nazi eingekerkert, sitzen heute noch. Viele berühmte Männer kamen nach Dachau und werden dort schrecklich behandelt. Christliche Zeitungen gibt es nicht, nur Nazizeitungen, Lug und Trug und Aufschnitt. Alle Nazischreiber sind schon kleiner geworden. Das Ganze Gewaltregime kann sich wohl nicht länger halten. Wir hoffen, daß Österreich seine Rolle nicht beendet hat, sonst hätte Gott uns nicht fünf Jahre, von 1933 bis 1938, kämpfen lassen… Preußen muß zerschlagen werden, dann kann Österreich wieder aufstehen. Aber nach welchen Opfern…“

Danach folgen einige Worte über die Familie Rieser mit Unterschrift: „Geschrieben zu Dorfgastein, am Samstag vor dem Fronleichnam-Sonntag, dem 18. Juni 1938. Andreas Rieser e.h., Kooperator in Stumm in Tirol, derzeit Pfarrprovisor in seiner Heimatgemeinde.

 

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Quellen:

Weitere Infos zu Andreas Rieser und der Kirche in Salzburg finden Sie im Buch „Pinzgau unterm Hakenkreuz“, Otto Müller Verlag, 2013

Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945, Bd. 2, S 300 und DÖW 18.562

Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945, Bd. 2, S 299 ff und DÖW E 19.257/1

Das Martyrium von Andreas Rieser im Konzentrationslager Dachau ist im Buch „Blutzeugen des Glaubens Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ dokumentiert. Herausgeber: Jan Mikrut; Wiener Dom-Verlag 2000.

Hans Hönigschmid, Chronik Bramberg, S 529